Auf Gott warten
Auf Gott warten
Was auf den ersten Blick wie eine überdimensionierte Wartehalle aussah, entpuppte sich beim genaueren Betrachten, als eine schlicht eingerichtete Kirche. Aber gerade diese Schlichtheit, dieses schnörkellose Ambiente überzeugte in seiner Art, lud zum Verweilen und genießen ein. Überraschender Weise saß das Publikum an diesem Abend nicht in ehrfurchtsvoller Betpose auf den überfüllten Bänken, um verklärt Chorälen Klängen zu lauschen. Ebenso überraschend, - für manche Kirchengemeinden wird dies weiterhin nur ein Traum bleiben - war die Altersbeteiligung des Publikums. Vom Teenager, sowie pubertierenden Mittzwanziger, über altagsgefaltete Vierziger bis hin zu älteren Menschen, denen die Lebensstürme tiefe Furchen im Gesicht hinterliesen. All diese unterschiedlichen „Meinnungsauffassungen“ waren sich in diesem Augenblick einig, warteten nur auf eins... - Auf Musik.
Aber nicht auf irgendwelche Tonabfolgen kirchlicher „Allgemeinintroversionen“.
Nein. diesmal sollte es etwas ganz besonderes sein. Gospel.
Zum zweiten mal gaben die „New Spirit“ aus Philadelphia/ USA, ein Gastspiel an diesem Ort der Beschaulichkeit. Es wurde eine musikalische Performance acht Afroamerikanischer Powerfrauen, die ihren Klangkörpern eine Fülle und Tiefe von Tönen entlockten, welche aus einer anderen Dimension zu sein schien.
Schon nach dem zweitem Titel, durchlief eine Unruhe das andächtig lauschende Publikum. Niemanden lies diese Gesangskaskaden kalt. Im Gegenteil. Ob alt oder jung. Es wurde zum Teil mitgesungen oder mitgeklatscht. Überall zuckten Füsse zu den ausdrucksstarken Klängen dieser afroamerikanischen Art des Glaubensbekenntnisses. Der Enthusiasmus der acht stimmgewaltigen weiblichen Klangröhren, steckte wie ein Virus jeden an. Die Zeit schien nur für diese Augenblick zu existieren, still zu stehen. Vom Jazz über Blues bis hin zum Gospel. Es schien nichts überzeugenderes und Glaubwürdigeres zu geben, als diese acht, in allen Tonnuanncen schmeichelnden Stimmen. Egal ob es dabei um eine musikalische Adaption aus der Sklavenhalterzeit, oder um eine persönliche Bitte an ihren Gott ging. Das berauschende Gebärdenspiel in Einheit mit der afroamerikanischen Kirchenmusik überzeugte zum Schluss wirklich jeden. Selbst wenn jenen acht Damen an diesem Abend Engelsflügel gewachsen wären, wäre nichts glaubwürdiger als die Freude und Ehrlichkeit ihrer Musik zum Ausdruck gekommen. Es war eine Musikdarbietung aus einer anderen Welt, einfach genial und berauschend.
Mit einer Leichtigkeit, die Spitzensportlern alle Ehre gemacht hätten, beendeten diese auserirdischen Künstlerinnen ihre musikalische Zeitreise durch den Gospel. Das Publikum revanchierte sich durch langanhaltente Standovationen. Dieses einmalige Erlebnis, wird mit Sicherheit den meisten der Zuhörer als ein Rausch der Sinne und Empfindungen in Erinnerung bleiben.
Mir taten hinterher die Hände vom vielen Klatschen weh, waren gerötet. Es war einfach nur herrlich und wunderschön. Um meine Begeisterung besser nach zu vollziehen, sollte ich vielleicht noch anmerken, das ich keiner Glaubensrichtung angehöre, die Kirche mich als Institution nicht berührt. Jeder soll an das glauben, zu dem er bereit und fähig ist. Und er sollte diesen Glauben der Anderen auch respektieren.
Ich glaube an die wunderschöne und erhabene Musik dieser acht jungen Afroamerikanischen Gospelfeen. Vielleicht hilft es mir aber in Zukunft jene Menschen besser zu verstehen, welche jeden Sonntag auch in diese Kirche gehen und
auf Gott warten.
rolf